Gedanken von unterwegs

10. Oktober 2018. Heute, vor einem Jahr, haben wir unseren Traum verwirklicht und uns von Deutschland verabschiedet, um in die große weite Welt aufzubrechen.

Eine kleine Zwischenbilanz

Was waren wir aufgeregt! Es war schon ein mulmiges Gefühl, so viel aufzugeben und alles hinter sich zu lassen. Nur mit einem Rucksack und jeder Menge Träume sowie Vorstellungen im Gepäck, setzten wir uns in den Flieger Richtung Bangkok. Diesen Schritt gewagt zu haben, bereuen wir in keinster Weise. Ganz im Gegenteil. Es fühlt sich mehr als richtig an und wir genießen unsere Freiheit in vollen Zügen. So viele tolle Erlebnisse, die sich für Ewig in unsere Gedächtnisse eingebrannt haben, so viele interessante Menschen und Geschichten, an denen wir teilhaben durften und so viele unglaubliche Orte, die einem den Atem rauben. Nichts davon wollen wir missen und wir sind für jeden Moment dankbar, den wir bis jetzt erleben durften.

In diesem einem Jahr haben wir bereits so viel gelernt – wahrscheinlich mehr als in unserer kompletten Schulzeit. Reisen löst uns aus den Werten unserer Kultur heraus und zeigt uns, dass eine andere Gesellschaft komplett nach anderen Werten leben kann und trotzdem funktioniert. Es zwingt uns, unsere Werte neu zu überdenken und über den Tellerrand zu schauen. Wir fangen an zu hinterfragen, schauen genauer hin und nehmen nicht mehr alles für selbstverständlich hin. Wir lernen in dieser intensiven Zeit viel über uns. Situationen zwingen uns immer wieder aus der Comfortzone heraus. Wir kommen öfter an unsere Grenzen als uns lieb ist und überschreiten diese auch mal. Dadurch kommen wir uns so nahe wie wahrscheinlich nie zuvor in unserem Leben. Das sind sehr wertvolle Momente, aus denen wir viel mitnehmen können und sie lassen uns lebendig fühlen.

Endlich haben wir auch die Zeit, uns mit Fragen zu beschäftigen, die bisher im Alltag einfach untergehen. Fragen, wie: Was macht uns wirklich glücklich? Was wollen wir vom Leben? Wo sehen wir uns in 10 Jahren? Wir beschäftigen uns auf der Reise das erste Mal mit anderen Lebensmodellen und lernen alternative Lebensformen kennen, von denen wir vorher noch nie etwas gehört haben. Klassiker wie die „4-Stunden-Woche“, „Das Café am Rande der Welt“, „Rich Dad, Poor Dad“ oder aber auch „Tiere essen“ begleiten uns auf unserem Weg. Gefangen in unserer Bubble daheim, haben wir uns nie so richtig mit diesen Dingen auseinander gesetzt. Zum einen ist das deutsche Schulsystem und der Lehrplan auf einen klassischen Lebensweg von Schule, Ausbildung/ Studium und Beruf ausüben abgestimmt. Themen wie Finanzen, Selbstständigkeit, Ernährung oder Gesundheit sind da nicht vorgesehen. Zum anderen fehlte es neben der Zeit im Alltag auch oftmals an Energie und den nötigen Raum für Gedanken. Lieber lässt man sich nach getaner Arbeit auf’s Sofa nieder und versucht sich mit Unterhaltung abzulenken. So kämpft man sich von Feierabend zu Feierabend, von Wochenende zu Wochenende und von Jahresurlaub zu Jahresurlaub. Routinen schleichen sich ein, man wird bequemer und belohnt sich mit materiellen Dingen oder Restaurantbesuchen. Dadurch steigt an einem gewissen Punkt die Unzufriedenheit, man ist unausgeglichener und es mangelt an Antrieb. Es fällt unglaublich schwer, etwas an dem Zustand zu ändern und aus dem Hamsterrad heraus zu kommen. Der erste Schritt war die Veränderung anzunehmen mit einem festen Ziel vor Augen und den Ausstieg aus unserem alten Leben zu schaffen. Losgerissen aus unserem gewohnten Umfeld hat uns der Blick von außen geholfen, alles klarer zu sehen und zu reflektieren.

Wie sieht unser Leben aktuell aus

Es ist Oktober 2018. Momentan sitze ich auf der Terrasse vor unserer Unterkunft in einem Resort und schaue in den Wald, wo ich eine Känguru-Mutti mit ihrem Joey – so nennen die Australier die Jungtiere im Beutel – sehen kann. Die Vögel zwitschern, Schmetterlinge flattern umher und Patrick spielt im Hintergrund Gitarre. Die Sonne scheint, wie fast jeden Tag in Queensland und es wird immer wärmer, da die Regenzeit bevor steht. Wir brauchten eine Pause vom Reisen und verweilen zur Zeit in einem kleinen paradiesischem Urlaubsort namens Airlie Beach, unweit der Whitsunday Islands und dem Great Barrier Reef. Um hier leben zu dürfen, wo andere Urlaub machen, putzen wir vormittags täglich ein paar Stunden Zimmer. Im Gegenzug können wir die Umgebung und die wundervolle Aussicht für umsonst genießen.

Zuvor hatten wir für die letzten Wochen ganz in der Nähe von Airlie Beach das waschechte Farmleben sowie das australische Wildlife intensiv kennen lernen dürfen. Niemals hätten wir uns vor einem Jahr erträumen können, dass wir uns um Kängurus, Koalas, Krokodilen, Schlangen, Emus und vielen anderen Vertretern der australischen Tierwelt tagtäglich kümmern werden. Aber gerade solche unvorhersehbaren Stationen unserer Reise sind besonders einprägsam und bereichernd. Dadurch konnten wir so viel dazu lernen und bekommen andere Sichtweisen und Denkanstöße vermittelt. Dieses Erlebnis der besonderen Art gehört zu einem der intensivsten Erfahrungen unserer Reise.

Das Bild oben entstand auf einer Zuckerrohr-Plantage in Queensland in der Nähe von Airlie Beach. Um unsere Reisekasse aufzufüllen, haben wir aus einem Feld so groß wie zwei Fußballfelder eine Bananenplantage entstehen lassen. Dazu mussten wir zunächst ein komplettes Bewässerungssystem anlegen und um die 60.000 Bananenpflanzen düngen, bewässern und pflanzen. Das Ganze unter der schonungslosen Sonne Australiens. Für uns war das ein riesiges Projekt, das uns viel Kraft und Nerven kostete. Dabei sind wir mal wieder über unsere Grenzen gegangen, haben unglaublich viel dazu gelernt und konnten am Ende mächtig stolz auf unser Ergebnis sein.

Den Reise-Akku aufladen

Wir sind dankbar, für die Möglichkeit, über das Wwoofing und die verschiedenen Jobs Einblicke in andere Lebensformen zu bekommen. Außerdem können wir so unsere Akkus aufladen, um weiter zu ziehen und uns in neue Abenteuer zu stürzen. Und ganz nebenbei schont es auch noch den Geldbeutel bzw. füllt diesen auf. Denn so wunderschön das Reisen auch ist, es lässt sich nicht mit einem Urlaub vergleichen. Fast täglich den Standort zu wechseln, sich auf neue Gegebenheiten, Menschen und Bedingungen einzustellen, kostet viel Energie. Auf Dauer sehnen wir uns mal wieder nach etwas Ruhe, Routinen und einen Alltag, um all das Erlebte verarbeiten zu können. Ein bezaubernder Ort jagt den nächsten. Traumstrände werden leider mit der Zeit zur Normalität. Auf der anderen Seite werden ganz selbstverständliche Dinge wie eine warme Dusche, ein Kühlschrank oder eine Waschmaschine zum Luxus und man lernt diese viel besser zu schätzen.

Reisen, wie wir in Australien, bedeutet Enthaltsamkeit und Verzicht, denn es handelt sich keineswegs um ein günstiges Reiseziel. Es ist ein einfaches Leben in unserem Van und es ist nicht immer Sonnenschein. Nein, es gibt öde Regentage und mitunter kann es auch hier sehr kalt werden. Immer auf der Suche nach möglichst kostenlosen Stellplätzen für die Nacht, selber kochen und sich auf kleinstem Raum arrangieren gehört zur täglichen Herausforderung. Doch das ist Teil der Reise und wir haben uns schon ganz gut daran gewöhnt. So werden wir bescheidener und kleine Dinge machen uns viel schneller glücklich als zu Hause. Was hätten wir gedacht, dass wir uns mal über eine warme Dusche so freuen würden!

Dank der kleinen Auszeit vom Reisen hat uns wieder die Abenteuerlust gepackt und wir sind bereit, neue Eindrücke aufzunehmen. Unser nächstes großes Sehnsuchtsziel heißt Neuseeland. Anfang November fliegen wir für drei Wochen in den „Urlaub“ und schauen uns die Süd- und Nordinsel an. Doch bis dahin heißt es noch ein paar Toiletten putzen.

Viele liebe Grüße aus Down Under in die Heimat! Wir denken an euch und halten euch auf dem Laufenden.

Patrick & Janine