Nur wenige Stunden von La Paz entfernt erhebt sich die imposante Cordillera Real – eine Bergkette, die nicht nur erfahrene Alpinisten anzieht, sondern auch ambitionierte Tageswanderer wie uns. Einer der zugänglichsten und beeindruckendsten Gipfel dort: der Pico Austria auf 5.320 Metern Höhe. Und genau den haben wir uns vorgenommen. Der Name stammt vermutlich von österreichischen Andinisten, die in den 1950er- und 60er-Jahren viele Erstbesteigungen in der Region durchführten und einige Gipfel nach ihrer Heimat benannten. Der Pico Austria ist zwar technisch relativ einfach, aber aufgrund der Höhe trotzdem eine echte Herausforderung.
Erschöpfung kurz vor dem Ziel
An die Grenzen gehen – mein Erfahrungsbericht
Anfahrt & unsere Truppe
Unsere Tour begann frühmorgens mit dem Transfer von La Paz (ca. 2–3 Stunden), über El Alto in die Condoriri-Region bei Tuni, einem kleinen Dorf am Ende einer Schotterpiste. Wir waren gerade mal zu dritt. Mit dabei war Felix (19), auch aus Deutschland und dem ging es am Morgen gar nicht gut, da er irgendwas falsches gegessen hatte. Beste Voraussetzungen für den Aufstieg! Unser Guide war etwas wortkarg und sprach leider nur drei Brocken Englisch. Dieser hatte für Felix auf dem Markt in El Alto in einer Apotheke etwas für den Magen besorgt. Keine Ahnung, was es war, aber ihm ging es nach einiger Zeit tatsächlich besser. Bereits die Anfahrt war spektakulär: verschneite Gipfel, vereinzelte Steinhäuser, Lamas – und irgendwann tauchte der türkisfarbene Laguna Chiarkhota auf, an deren Ufer der eigentliche Aufstieg startet.
Esel an der Laguna Chiarkhota
Erster harter Anstieg
Wir nutzten noch ein letztes Mal das primitive Toiletten-Häuschen am Parkplatz und begannen unsere Wanderung bei recht freundlichem Wetter. Bereits der erste gemächliche Anstieg durch das weite Hochtal ließ uns schnell aus der Puste kommen, denn wir starteten bei einer Höhe von 4.500m. Ab etwa 4.800m wurde der Pfad steiler und steiniger. In Serpentinen ging es nun über Geröllfelder hinauf zum Grat. Und spätestens hier kommt der Atem ins Schnaufen – die Höhe und die dünne Luft machten sich bemerkbar. Im Schneckentempo kämpfte sich unsere kleine Gruppe Stück für Stück nach oben. Vor allem ich (Janine) litt extrem und schleppte mich mühsam hinterher. Gedanken vom Aufgeben wurden immer lauter. Das Wetter war auch ab dem Serpentin-Pfad umgeschwenkt auf Nieselwetter und es hatte sich zugezogen. Der Regen wurde irgendwann zu Schnee und es wurde immer kälter, je höher wir kamen. Die Anzahl der Pausen nahm auch zu.
Anstrengender Anstieg über Geröll und im Schneeregen
Erschöpfung & Verzweiflung
Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir oben an einem schmalen Grat an, von wo aus der letzte Anstieg zum Pico Austria erfolgen sollte. Hier war der Punkt gekommen, an dem ich keinen Schritt mehr weitergehen wollte. Doch es gab kaum Alternativen. Warten in der Kälte war keine Option. Alleine Umkehren auch nicht, man sah den Weg durch die Wolken nicht mehr. Und dass alle Umkehren müssen, so kurz vor dem Ziel, war auch kein schönes Gefühl. Also hieß es noch einmal Zähne zusammenbeißen und weiter gehen. Die letzte halbe Stunde kamen wir stark an unsere Grenzen oder ich darüber hinaus. Aber der Wettergott hatte es gut mit uns gemeint (Vielleicht aus Mitleid?), denn auf den letzten Metern riss der Himmel auf und sogar ein paar Sonnenstrahlen erreichten uns. Wahrscheinlich half mir genau diese positive Energie mich noch ein letztes Mal aufzurappeln.
Geschafft! Ein 360°-Panoramablick
Endlich geschafft!
Die anderen waren schon oben angekommen, da schaffte ich es auch mit letzter Kraft auf allen Vieren und vollkommen um Luft ringend zum Gipfel hoch. Nach diesen wohl anstrengendsten 800 Höhenmetern wurden wir mit einem gigantischen 360°-Panoramablick auf die schneebedeckte Cordillera Real mit Gletschern und Lagunen belohnt. Die trüben Gedanken waren auf ein Mal wie weggeblasen. Theoretisch kann man an klaren Tagen den Titicaca-See im Westen und sogar bis nach La Paz sehen. Doch wir waren einfach nur froh, dass wir überhaupt etwas erblicken konnten! Das Mittagessen wurde hier schnell eingenommen, es wurden ein paar Fotos geschossen, der Moment genossen und nach kurzer Zeit mussten wir leider wieder umkehren. Wir kühlten zu schnell aus, es zog bereits wieder zu und die Zeit saß uns im Nacken.
Der lange Rückweg im Schneeregen
Unser Guide beim Abstieg
Der Abstieg ging zwar wesentlich einfacher vonstatten, doch es hatte wieder angefangen zu schneien. Wir liefen eine gefühlte Ewigkeit zurück zum Auto. Der Weg zog sich, es war alles nass, wir waren komplett durchgefroren und total erschöpft, als wir endlich unten ankamen. An diesem einen Tag habe ich so viele Gefühlsregungen – von wütend und verzweifelt bis hin zu glückselig und stolz – durchlebt, wie an keinem anderen. Nun konnte ich mir aber auch sicher sein, dass der Aufstieg zum Huayna-Potosi Gipfel definitiv nichts für mich ist! Die Rückfahrt war auch alles andere als erholsam. Es war einfach nur kalt, mein Kopf tat weh, ich war hungrig und mir war übel. Wahrscheinlich habe ich meinem Körper an diesem Tag zu viel zugemutet. Wir wurden irgendwo in La Paz rausgeschmissen und kämpften uns mit letzter Kraft zu unserem Hostel, wo eine warme Dusche und das Bett auf uns wartete.
Klima und Wetter
Die beste Reisezeit für eine Besteigung ist die Trockenzeit von Mai bis Anfang Oktober. In dieser Zeit ist das Wetter stabiler, es gibt tagsüber oft Sonne und klare Sicht auf die umliegenden Gipfel wie Huayna Potosí oder Condoriri.
Eisige Winde, Nebel und Schnee
Das Wetter kann allerdings immer schnell umschlagen: Sonne, Schneefall und starker Wind können sich innerhalb weniger Minuten abwechseln. Vor allem oben am Gipfel können die Temperaturen bis 0 °C oder auch darunter fallen. Nasses Wetter und eisige Winde können dich schnell auskühlen lassen, vor allem bei einer kurzen Pause. Erkundige dich am besten vorher bei deinem Tour-Anbieter, wie die Wetteraussichten sind und ob eine Besteigung überhaupt möglich ist.
Tipps für die Besteigung: Kleidung & Ausrüstung
Auch wenn Pico Austria technisch nicht anspruchsvoll ist, solltest du den Aufstieg nicht unterschätzen und gut vorbereitet an die Sache rangehen. Die Höhe ist dabei nicht zu unterschätzen!
Kleidung
- Zwiebelprinzip: Baselayer (Merinounterwäsche), Fleece, Daunenjacke, Wind-/ Regenjacke, warme Socken
- wasserfeste Wanderschuhe mit gutem Profil
- Warme Mütze & Handschuhe – auch im Sommer!
- Sonnenbrille & Sonnencreme (extreme UV-Strahlung!)
- Gamaschen (bei Schnee im oberen Teil hilfreich)
Wanderstöcken und Zwiebellook
Ausrüstung
- Tagesrucksack (20–30 l) mit Regenschutz
- Snacks, Wasser, evt. Thermoskanne
- Stirnlampe (für frühmorgendlichen Start)
- Wanderstöcke (hilfreich beim Abstieg) – wir fanden sie eher nervig und unsere Hände sind fast abgefroren
- Erste-Hilfe-Set & Höhenmedikamente falls nötig
- Kamera – die Aussicht lohnt sich!
Touranbieter: Empfehlungen & Kosten
Die Tour auf den Pico Austria kannst du zwar selbstständig durchführen, aber wir würden dir den Aufstieg mit einem ortskundigen Guide empfehlen. Wer sich nicht mit Navigation, Transport und Höhenlage herumschlagen möchte bzw. erfahren ist, ist mit einer geführten Tagestour ab La Paz gut beraten und viel sicherer unterwegs:
- Unser Anbieter war Jiwaki Tours
- andere Anbieter sind z.B. South Treks, Bolivian Mountaineering oder Xtreme Bolivia
- diese bewegen sich preislich um 65-75 USD pro Person, wobei du bei Buchung vor Ort sparen kannst
- Enthalten: Transport, meist spanischsprechender Guide, ggf. Snacks und/ oder Mittagessen
- Nicht enthalten: Eintritt in die Region (~20 Bs), Trinkgeld, Wanderstöcke (kosten extra), persönliche Ausrüstung
Weitere nützliche Tipps und Hinweise
Auf 5.350m Höhe
- plane genug Zeit für Akklimatisierung ein – mindestens drei Tage in La Paz; eine vorherige Wanderung z. B. zum Chacaltaya oder Valle de las Ánimas ist empfehlenswert
- die Tour dauert insgesamt um die 12 Stunden, es handelt sich somit um einen sehr langen und anstrengenden Tag; die Wanderung an sich nimmt etwa 6-8 Stunden in Anspruch
- die Luft in dieser Höhe ist sehr dünn, was den Aufstieg besonders erschwert, da es die meiste Zeit steil bergauf geht
- plane immer wieder kurze Pausen ein und trinke regelmäßig Wasser
- unterschätze nicht das Wetter und die Kälte: auch wenn du bei Sonnenschein startest, kann es die nächste halbe Stunde Schneien und Stürmen
- wenn du vor hast den 6.000er Huayna Potosí zu besteigen, ist der Pico Austria eine sehr gute und empfohlene Vorbereitung darauf

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