Der Huayna Potosí gilt als einer der zugänglichsten Sechstausender der Welt und gleichzeitig als eine echte Herausforderung. Mit 6.088 Metern zählt er zu den höchsten Bergen Boliviens und thront majestätisch nur zwei Autostunden von La Paz entfernt. Viele Backpacker träumen davon, hier ihren ersten Gipfel über 6.000 Meter zu erreichen. Der Aufstieg zum Huayna Potosí ist nicht nur eine physische, sondern auch eine mentale Reise: Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug, bis man schließlich über den Wolken steht.
In den Wolken am High-Camp
Doch „einsteigerfreundlich“ ist dieser Berg nur auf den ersten Blick. Mit einer Erfolgsquote von rund 33 % erreichen tatsächlich nur ein Drittel aller Bergsteiger den Gipfel. Gründe sind vor allem Höhenkrankheit, Wetterumschwünge und Erschöpfung. Wer sich jedoch gut vorbereitet, ausreichend lange akklimatisiert und die Besteigung auch ernst nimmt, wird mit einem unvergesslichen Erlebnis belohnt. Ein gewisses Fitnesslevel und eine allgemein gute körperliche Verfassung sind ebenfalls Grundvoraussetzungen für den Aufstieg.
Im Hintergund ist das Ziel: der Huayna Potosí
Über die Grenzen gehen – mein Erfahrungsbericht
Vorbereitung und Akklimatisierung
Der Weg auf den Huayna Potosí ist zwar technisch nicht extrem anspruchsvoll, doch die Höhe macht ihn zur echten Herausforderung. Schon die Tage zuvor waren eine Höhen-Achterbahn: von der tropischen Tiefe in Rurrenabaque (274 m) nach La Paz (3.650 m), dann rauf zum Pico Austria (5.320 m) – eine perfekte Vorbereitung für den Aufstieg. Erfahre mehr über unsere Besteigung des Pico Austria, einen 5.000er Berggipfel.
Viele Anbieter empfehlen die 3-Tages-Variante:
- Tag 1: Ankunft im Base Camp und Gletscher-Übungen
- Tag 2: Aufstieg ins High Camp (5.300 m)
- Tag 3: Gipfeltour bei Nacht
Die 2-Tages-Tour ist kürzer und günstiger, aber deutlich anstrengender, da die Akklimatisierung fehlt. Dadurch ist die Erfolgsquote auch wesentlich geringer. Wir haben einige andere Backpacker getroffen, die aufgeben mussten und es nicht in der kurzen Zeit bis zum Gipfel geschafft haben. Wenn du also nicht erfahren bist, raten wir dir von der 2-Tages-Tour ab.
Tag 1: Base-Camp und Gletschertraining
Am Tag der Abfahrt von La Paz musste ich 8:30 Uhr im Office des Tour Anbieters sein. Dort probierte ich einen Teil der Ausrüstung an und packte diese in meinen fast leeren 70 Liter Rucksack. Auch wenn der Anbieter bereits viel stellt, lohnt es sich, eigene Thermounterwäsche, warme Socken und mehrere Schichten einzupacken. Später sollten wir noch den Rest der Ausrüstung erhalten.
Weg zum Gletscher
Mit dem Bus fuhren wir zum Basecamp auf 4.700 Höhenmetern, wo wir unsere erste Nacht in einem 16er Dorm verbrachten. Nach dem Mittagessen brachen wir in Richtung Gletscher (4.900 Meter) auf, der nur eine halbe Stunde entfernt war, um dort Übungen durchzuführen. Wir lernten, wie wir unsere Steigeisen und Eispickel richtig einsetzen, liefen auf dem Gletscher in Dreiergruppen, seilten uns circa 15 Meter ab und kletterten mit speziellen Eispickeln an einer etwa 10 Meter hohen Wand empor.
Übungen an Gletscherwand
Zurück im Camp versammelten wir uns zum Abendessen. Dabei gab es Informationen zur Etappe des nächsten Tages: dem Aufstieg ins High-Camp auf 5.300 Metern Höhe.
Tag 2: Aufstieg ins High-Camp (5.300 m)
Am zweiten Tag hieß es: Rucksack packen! Wir erhielten die letzten Ausrüstungsstücke: Steigeisen, Eispickel, Seil, Helm, Stiefel und Handschuhe. Nun musste die gesamte Ausrüstung mit ins High-Camp getragen werden. Der Rucksack kam am Ende auf ein gefühltes Gewicht von ungefähr 15kg.
Aufstieg zum High-Camp
Der Aufstieg dauerte bei gutem Wetter etwa zweieinhalb Stunden. Wir hatten Glück. Der Anstieg war durch das sehr gute Wetter mit angenehmen Sonnenschein und kühlen Temperaturen einfacher als gedacht. Oben erwartete uns eine einfache Hütte direkt am Gletscher. Die Sonne sorgte tagsüber noch für traumhafte Ausblicke, doch sobald sie verschwand, wurde es bitterkalt.
Mehrbett-Dorm im High-Camp
Hier hieß es früh ins Bett. Die Nacht war nur sehr kurz und bitter kalt. Bereits um 19 Uhr ging es mit drei bis vier Klamottenschichten in die Schlafsäcke. So wirklich warm wurde es trotzdem nicht, denn es gab keine Heizung. Der Toilettengang in dieser Höhe nachts auf dem Plumpsklo draußen vor unserer Hütte gehörte zu den Highlights. Um Mitternacht gegen 0 Uhr klingelte dann auch schon der Wecker.
Das Toilettenhäuschen
Tag 3: Gipfelsturm bei Nacht
Aufstieg bei Nacht
Kurz nach Mitternacht begann der anstrengendste Teil der Expedition: 800 Höhenmeter in völliger Dunkelheit, ausgerüstet mit Helm, Stirnlampe, Steigeisen und Eispickel. Alles Unnötige blieb zurück, das Gewicht verteilte sich nun besser am Körper. Das Gehen mit Steigeisen fühlte sich an wie das Laufen mit Schlittschuhen auf festem Boden – ungewohnt und träge. Unser Ziel: pünktlich zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel stehen.
Das Lichtermeer La Paz
Im Gegensatz zum Vortag bewegten wir uns jetzt stets in Dreiergruppen. In meiner Gruppe waren unser Guide Iván und Felix, mit dem ich bereits den Pico Austria bestiegen hatte. Die Seilsicherung machte absolut Sinn, denn an manchen Stellen war der Pfad so schmal, dass ein Fehltritt fatale Folgen hätte haben können. Die Aussicht war am Anfang durch die Dunkelheit sehr eingeschränkt, aber man konnte in der Entfernung La Paz als wunderschönes Lichtermeer sehen. Zudem waren hier und da große Gletscherspalten abseits des Weges.
Gleich zu Beginn blickten wir auf einen schneebedeckten Hang, an dem sich mehrere Gruppen stauten. Das ermöglichte kurze Verschnaufpausen, die mir halfen, mich besser an die Höhe zu gewöhnen. Als wir später mehr Platz hatten und schneller voran kamen, wurde es spürbar anstrengender. Um mich zu unterstützen, schob ich mir einige Coca-Blätter in den Mund – ob sie halfen, sei dahingestellt. Schritt für Schritt kämpften wir uns voran.
Der Weg zum Gipfel bei Tageslicht
Anfangs war es mir in der Ausrüstung noch warm, aber mit dem eisigen Wind wurde es zunehmend ungemütlicher. Zu viele Pausen konnten wir uns nicht leisten, da der Körper sofort auszukühlen begann. Später holte Ivan eine Thermoskanne mit heißem Tee aus seinem Rucksack und wir nahmen einen Schluck. Was für ein Segen! Ivan war ein cooler und aufmerksamer Guide, der auch gutes Englisch sprach, was die Kommunikation für mich in anstrengenden Situationen vereinfachte.
Unterwegs trafen wir immer wieder unsere anderen Gruppenmitglieder und von Mal zu Mal sahen sie geschaffter aus. Wir merkten ebenfalls die Höhe und die damit verbundene dünne Luft und stärkere Anstrengung. Auf der anderen Seite des Berges angekommen, wurde der Wind jetzt noch stärker und vor den letzten 200 Metern gönnte ich mir noch eine Backe voll Coca-Blätter. Andere warfen sich noch Soroche-Tabletten ein, um die Symptome der Höhe zu lindern. Für eine Französin ging es an einem gewissen Punkt nicht mehr weiter, da sie Probleme mit der Sehkraft bekam.
Die Gruppen kämpfen sich nach oben zum Gipfel
Die letzten 200 Höhenmeter sind mehr mentaler Kampf als körperliche Leistung. Der Weg erforderte höchste Konzentration, denn an dieser Stelle wurde er noch schmaler, sodass ich mich jetzt öfter mit dem Eispickel im Eis einhackte. Links und rechts fällt der Hang steil ab und ein falscher Schritt kann hier fatale Folgen haben. Teilweise versperrten andere den Pfad, weil sie nicht ausweichen konnten. Unser Guide überholte und zog uns hinterher. Ich wurde von Meter zu Meter etwas unkonzentrierter. Manchmal stolperte ich dabei über meine eigenen Steigeisen. Die Höhe fuckte mich ab. Ab und zu dachte ich, ich muss umkehren, aber das Seil, das an mir zog, war auch gleichzeitig unser Zugpferd. Der Wind ließ schließlich etwas nach und dann, am Horizont, tauchte der Gipfel in den ersten Lichtstrahlen auf. Die letzten Meter waren jetzt machbar und wir sahen bereits andere Bergsteiger am Ziel.
Gipfelrausch auf 6.088 Höhenmetern
Die Belohnung: Sonnenaufgang über einem Wolkenmeer
Und dann war es endlich geschafft. Nach 6-7 Stunden hartem Aufstieg erreichte unsere Gruppe halb torkelnd den Gipfel des Huayna Potosí. Und schließlich steht man hier oben. Links und Rechts war der Abgrund zu unseren Füßen. Ivan gratulierte uns und ich genoss einen der schönsten Sonnenaufgänge meines Lebens. Die Sonne taucht die schneebedeckten Gipfel in glutrote Farben und ein Meer aus Wolken liegt tief unter einem. Am anderen Ende ragte die Gebirgskette mit dem Pico Austría empor und in der Ferne glänzte der Titicacasee. 360 Grad Superlative und ein unvergesslicher Moment!
Der Moment ist unbezahlbar
Wetter und Klima
Das Klima am Huayna Potosí ist rau, wechselhaft und kann Bergsteiger schnell an ihre Grenzen bringen. Auch wenn der Berg als technisch „einfach“ gilt, darf man die Bedingungen auf über 6.000 Metern nicht unterschätzen. Selbst in der Trockenzeit von Mai bis September, der besten Jahreszeit für eine Besteigung, fallen die Temperaturen nachts deutlich unter den Gefrierpunkt. Im High Camp auf 5.300 Metern herrschen nachts oft –10 °C oder kälter, auf dem Gipfel kann es mit Windchill noch frostiger wirken. Tagsüber sorgt die Sonne zwar für angenehme Wärme, doch sobald sie verschwindet, wird es extrem kalt.
Die ersten Sonnenstrahlen am Gipfel
Dazu kommt die starke UV-Strahlung in großer Höhe: Die Sonne brennt auf Schnee und Eis besonders intensiv, weshalb eine gute Sonnenbrille und hoher Sonnenschutz unverzichtbar sind. Wetterumschwünge können jederzeit auftreten, klarer Himmel kann sich innerhalb weniger Stunden in Sturm und Schneefall verwandeln. Wer den Huayna Potosí besteigen möchte, sollte also nicht nur warme Kleidung, sondern auch Flexibilität und Respekt vor den alpinen Bedingungen mitbringen.
Tipps für die Besteigung: Kleidung & Ausrüstung
Kleidung
Beim Highcamp
Bei der Besteigung des Huayna Potosí gilt das Zwiebelprinzip als oberste Regel. Da die Temperaturen tagsüber bei Sonnenschein erträglich sein können, nachts und vor allem auf dem Gipfel jedoch weit unter den Gefrierpunkt sinken, ist es wichtig, mehrere Schichten übereinander zu tragen. Eine gute Basis bilden Thermounterwäsche und atmungsaktive Funktionsshirts (bestenfalls aus Merinowolle), darauf folgen wärmende Zwischenschichten wie Fleece oder ein dicker Pullover. Für die äußere Schicht empfiehlt sich eine wind- und wasserdichte Jacke sowie eine isolierte Hose, beides war auch im Preis enthalten. Unverzichtbar sind dicke Woll- oder Skisocken, warme Handschuhe (dicke Handschuhe gibt es vom Anbieter) sowie eine Mütze oder Sturmhaube, da über den Kopf viel Wärme verloren geht. Eine Sonnenbrille mit UV-Schutz gehört ebenfalls in jede Packliste, denn die Strahlung auf über 5.000 Metern ist extrem stark.
Im Folgenden findest du die empfohlene Packliste für die Kleidung:
- Trekkinghose und (Thermo-)Leggings
- Fleecejacke (kann auch ausgeliehen werden)
- Daunenjacke (optional, aber empfehlenswert)
- 3 Paar Socken (davon mindestens ein dickes Paar)
- Dünne Handschuhe (Liner Gloves)
- Mütze/ Beanie
- Sonnenbrille mit UV-Schutz
Ausrüstung
Die technische Ausrüstung vom Anbieter
Der Großteil der technischen Ausrüstung wird von den Touranbietern gestellt, darunter Steigeisen, Eispickel, Klettergurt, Helm und Seil. Auch Bergschuhe für den Gletscher sind im Preis enthalten. Dennoch ist es ratsam, einige persönliche Dinge mitzunehmen, um die Tour angenehmer zu gestalten. Dazu gehören mehrere Paar Handschuhe und Socken, da diese oft feucht werden, sowie ein guter Schlafsack (kann oftmals gemietet werden), Stirnlampe, Sonnencreme und Lippenbalsam mit hohem UV-Schutz. Praktisch sind zudem ein leichter Tagesrucksack für Snacks, Thermoskanne sowie Energieriegel oder Traubenzucker für schnelle Energie während des Aufstiegs. Wichtig: Alles so packen, dass es im High Camp schnell griffbereit ist, denn in eisiger Nacht möchte niemand lange im Rucksack kramen.
Hier ist eine empfohlene Packliste für die Ausrüstung:
- Schlafsack bis –5 °C (kann für circa 50 BOB gemietet werden)
- Stirnlampe (kostenlos, wenn eigene Batterien AAA mitgebracht werden)
- Rucksack (mindestens 50–60 Liter, kann optional für circa 50 BOB gemietet werden)
- feste Wanderschuhe mit gutem Profil
- Sonnenschutzcreme
Cocablätter in Maracuya-Geschmack
Sonstiges:
- Snacks und Energielieferanten für den Gipfelaufstieg
- 2 Liter Wasser zu Beginn der Tour
- Persönliche Medikamente
- Cocablätter, Saroche-Tabletten gegen Höhenkrankheit
- Toilettenpapier
- Persönliche Gegenstände
- 50 BOB Eintrittsgebühr für den Berg
Touranbieter: Empfehlungen & Kosten
Wandern in spektakulärer Andenlandschaft
In La Paz gibt es zahlreiche Agenturen, die Touren auf den Huayna Potosí anbieten. Die Unterschiede liegen meist weniger im Preis als in der Organisation, der Gruppengröße und vor allem in der Qualität der Guides. Ein bewährter Anbieter ist Jiwaki, mit dem auch meine Tour stattfand. Die Guides sprechen gutes Englisch, achten auf Sicherheit und vermitteln beim Gletschertraining Geduld und Erfahrung, ein wichtiger Faktor, wenn man zum ersten Mal mit Steigeisen und Seil unterwegs ist. Weitere Tour-Anbieter mit sehr guten Bewertungen sind SouthTreks, Hiking Bolivia Tours oder Bolivian Mountaineering.
Die Kosten für eine 3-Tages-Tour liegen aktuell je nach Anbieter bei etwa 1.000-1.300 BOB (130-170 €) pro Person (2025). Auch hier gilt: wenn man vor Ort bucht, kann man einiges sparen. Im Preis enthalten sind Ausrüstung, Transport, Unterkunft in Base- und High Camp, Mahlzeiten sowie der Guide. Hinzu kommt eine Eintrittsgebühr von 50 BOB für den Berg. Wer keinen eigenen Schlafsack oder Rucksack hat, kann diese bei Jiwaki oder anderen Anbietern günstig mieten. Auch eine 2-Tages-Tour wird angeboten, sie ist etwas günstiger, jedoch deutlich kräftezehrender und mit geringerer Erfolgsquote.
Mein Tipp: Lieber in einen seriösen Anbieter wie Jiwaki investieren, statt das billigste Angebot in La Paz zu wählen. Die Sicherheit und Erfahrung der Guides können am Berg entscheidend sein.

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